Finalissime im Gewölbe
von Johannes Menze
(Anpfiff) Unsere Aufstellung: Im Gewölbe ist die Schreinerwerkstatt zur Seite geräumt. Es gibt Wichtigeres: Die Tische sind quer zur Leinwand aufgestellt, zwei Bänke quergelegt, Chipse auf den Tischen. Bislang der größte Aufreger, wenn jemand quer durchs Bild läuft, was zwangsläufig der Fall ist, wenn man eine Hopfenlauwarmschale oder ein Apfelschörlchen zu sich nehmen will.
(0:0 – Minute 29) Wir haben das Licht im Gewölbe gelöscht. Die Kontraste sind noch krasser dank HD. Und ein Cajon ist aus dem Gottesdienst ins Gewölbe transferiert, das Hartmut bearbeitet. Großer Jubel über das argentinische Abseitstor. Erste Sprechchöre. Arne studiert die taktische Aufstellung auf kicker.de, als Kramer gegen Schürle ausgewechselt werden muss.
(0:0 – Minute 43) Für die allerjüngste Generation ist Schaukeln weitaus interessanter, aber zumindest eine Flagge schaukelt mit. Drei – namentlich bekannte – Fußballenthusiasten nutzen die erste Halbzeit, um zu duschen und bringen zur Pause ihren Handcremeüberschuss mit. Das Taktik-Studium hat sich bei Arne nicht ausgezahlt. Zwar sagt er voraus, dass nach der Ecke Hummels ein Tor köpfelt. Das mit dem Kopfball stimmt. Bei der zweiten, anschließenden Ecke trifft Höwedes präzise den Posten. Merke: Das Torjubeln klappt und hallt super im Gewölbe, auch wenn im Anschluss das dünne Müllerchen im Abseits steht.
(0:0, Eigentlich steht es in der ersten Halbzeit gefühlt 1:1 – Minute 47) Messi schießt vorbei, es reist die Leute von den Sitzen. Hier im Hintergrund stehen jetzt einige, sind langfristig aufgesprungen. Nachteil: Es tropft von der Gewölbedecke in die Kragen und auf die Köpfe. Bernards und Thomas Nordbastionabdeckungsprojekt zeitigt noch keine Erfolge. Ganz Taizé - erfahren wir in Gespräch an unserer Seitenlinie - ist übrigens prinzipiell fußballfreie Zone. Die Franzosen sind ja auch schon aus Brasilien abgereist.
(0:0 – Minute 55) „Schweini!“ brüllen die Jungs in der ersten Reihe. Sie kennen alle Kicker in Weiß. Sirenengleich steigt ihr Geräuschpegel, wenn die Kombinationen in den Strafraum kommen. Auch Hermann-Josef mosert über den Schiedsrichter. Neuer fährt die Faust aus. Jede Wiederholung macht mehr Geraune ob der Sprunggewal(tä)tigkeit !
(0:0 – Minute 64) Das Tropfen im Rückraum nimmt eklatant zu. Es hat auch vor dem Abendessen mächtig geschauert. Der Gaspilz – von Grazprom? - schafft auch keine Abhilfe. Dann doch lieber noch ein Bitburger Pils. Bei den gelben Karten steht es jetzt schon zwei zu zwei. Fünfter gelber Karton. Im Augenblick übernimmt die Albiceleste (die weißblauen Südamerikaner) kräftig holzend, in der schiedsrichterlichen Foulwertung das gelbe Trikot.
(0:0 – Minute 69) Freek ruft, als der Pokal eingeblendet wird: „Das ist unser!“, und greift als Schattenspiel den Pokal. Sein Erziehungsberechtigter sitzt derweil hinten im Eck und agiert gefährlich nahe am Übertragungskabel. Mit Marion sortiert er Jubiläums-Fotos für Ora. Der Reporter: „Messi ist etwas zu abgedreht“. Wir schauen uns um und denken, nicht nur der argentinische Superfußballer.
(0:0 – Minute 86) Die Weißen kommen dem Tor näher. Tobi beruhigt: „Alles gut!“ Über 20.000 Sicherheitsleute rund ums Maracanã-Stadion können einen Flitzer nicht verhindern. Heribert sitzt in unserer ersten Bankreihe an der rechten Flügelspitze. Der Beistand des Baustellenjesuiten hilft nicht, weil ja der Jesuitenpapst Franziskus auch fußballnärrisch ist und aus Argentinien kommt. Der Jesuitengeneral kommt übrigens aus Spanien und hat seinen Rücktritt eingereicht. Reporter: „Jeder muss an sein Limit gehen!“ Wir finden: Ihn gleich auswechseln.
(0:0 – Minute 95 ) Dramatisches Hin & Her im Maracanã-Stadion. Die Jungs, inzwischen auf einsfünfzig an die Beamerleinwand rangerobbt, kommentieren jetzt jede Aktion. Sie sind vorerst der Auswechselung von ihren Eltern entkommen und wünschen sich doch sehnlichst ein Tor. Die Hinterbänklerin Muriel, noch jünger, grinst breit und meint stolz: „Meine Mama hat da (im Blog) die Schreibfehler rausgemacht.“ Nebelschwaden ziehen durch den Burghof, schön illuminiert vom Flutlicht. Schattenspiele.
(0:0 – Minute 107) Die Jungs liegen jetzt auf dem Betonboden und debattieren lebhaft die Angriffsleistungen. Ansonsten ist es still, als der Ex-Schwiegersohn von Maradona Schweini umhaut. Reporter: „Der müsste Gelb kriegen!“ Verständiger Kommentar von den Jungsriege: Der hatte doch schon Gelb, wäre Rot. Müller-Wohlfahrt, welch ein Name für einen Doktoren, tackert den blutenden Schweinsteiger. Tackern kennen wir auch auf der Neuerburg. Selbst die Burgkatze tigert vorbei. Aufgrund der vielen Streicheleinheiten tritt sie schnell den Rückzug an.
(1:0 – Minute 113) Das Licht im Burghof ist exakt nach Zeitplan erloschen. Michael Schler hat sich ins Gewölbe eingewechselt. Prompt fällt das erlösende Tor (Flankenlauf Schürle, Götze-Tor). Er hätte die Internetbestellungen für Labora wirklich schneller abwickeln können. Überlegungen zum Autokorso laufen. Aber die Familienkutsche von Ottos ist erstens eingeparkt und zweitens werden alle Fahnen hier im Gewölbe heftigst geschwenkt. Szenenapplause für jede Neuer-Aktion. Der Akku vom Computer ist leer. Jetzt das Ladekabel aus dem Balkenzimmer zu holen, ist wie Abseits. Diese Falle riskieren wir nicht.
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